Impuls in besonderen Zeiten - Nr. 64

"Ad te levavi" - zu Dir, Gott erhebe ich meine Seele...

... mit diesen Worten beginnt im Einzugsgesang (Introitus) der klassischen katholischen Liturgie der Advent und damit auch das neue Kirchenjahr. Entlehnt sind die Worte aus Psalm 25 (bzw. in der lateinischen Zählung: Ps 24). Mit diesen Worten steht am Anfang des Advents mit den Worten des Beters ein ganz bewusster Entschluss: Er hebt sein Inneres, seine Seele zu Gott hin, heraus aus all dem, was seine Seele, seinen Sinn, sein Gemüt niederdrückt. Beim Beter ist es das "Zuschandenwerden" / das "Erröten" vor Scham [erubescam] und das Verlachtwerden durch die Feinde [irrideant me inimici mei]. So einiges hallt da zwischen den Zeilen nach an Erfahrungen, die niederdrücken.

Vielleicht geht es vielen von uns gerade ähnlich: gerade noch von der Hoffnung getragen, dass Corona (zumindest tendenziell) abgeebbt ist, kommt - und mit welcher Wucht - die nächste Welle, kommen wieder Chaos-Fluten auf uns zu, die drohen, das unter sich zu begraben, was an leiser Hoffnung gereift ist: Dass es in diesem Jahr wieder ein anderes Weihnachtsfest sein könnte als im letzten Jahr. Und vielleicht hängen damit zusammen dann und wann auch solche Erfahrungen der Scham ("Wie? Du triffst Dich jetzt mit anderen? Du gehst wirklich auf den Weihnachtsmarkt?") oder andersherum des Verlachtwerdens ("Warum willst Du Dich denn jetzt nicht mit anderen treffen? Du bist doch geimpft, oder?"). Die Hoffnung des Beters, die wie eine Überschrift über dem Advent steht setzt genau dort an: Denn weder Scham noch Verlachtwerden - und man darf vielleicht hinzufügen: Angst und Sorgen - sollen das erste Wort haben, sondern das neue Aufschwingen mit allem dem Belastenden hin zu Gott.

In der Bewegung des gregorianischen Introitus-Gesangs, gewissermaßen einer musikalischen Deutung und Interpretation des Psalms, verwandeln sich die niedrückenden Sorgen -- personifiziert durch die "Feinde" [inimici mei] -- in einen harmonischen Dur-Akkord, gewissermaßen in Wohlgefallen; und zwar genau in dem Moment, in dem sich der Beter an die Treue Gottes erinnert und das Vertrauen in ihn erneuert: "niemand, der auf dich hofft, wir enttäuscht", im lateinischen heißt es nochmal viel deutlicher: "alle, die auf dich hoffen, werden nicht enttäuscht" [universi qui te exspectant, non confundentur] (Ps 25,3). Neu dieses Vertrauen, dieses Sich-Anvertrauen zu lernen, weil man erinnernd gewiss sein kann, dass Gott seiner Zusage treu ist: so beginnt Advent.

Diese Treue Gottes zu seiner Zusage, mit der er sich ganz am Anfang des Weges mit dem Volk Israel vorgestellt hat, dieser Zusage, der zugleich sein Name ist, der lautet: "Ich bin da"; Advent ist die Einladung sich daran zu erinnern. Vielleicht dadurch, sich an diesem Wochenende den Introitus "Ad te levavi" einmal ganz ausdrücklich anzuhören, den über mehr als tausend Jahre Christinnen und Christen gesungen und gebetet haben in all den Wellen und Wogen ihrer Zeiten, oder aber den 25. Psalm zu lesen, oder an einer der vielen digitalen oder analogen Veranstaltungen teilzunehmen, die in unserer Pfarrei und darüber hinaus angeboten werden.

Jeder und jede, die auf dich vertraut, wird nicht enttäuscht! - eine Zusage im und für den Advent...

Bleiben Sie behütet!
Alexander Jaklitsch, Pastoralreferent