Impuls in besonderen Zeiten – Nr. 76

Aus "Angst" wird "Gast" ...

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

wer derzeit im bischöflichen Generalvikariat in Essen die Treppen bis ins dritte Stockwerk erklimmt, dem leuchten vier große orangene Buchstaben entgegen, die das Wort "GAST" bilden. Den Buchstaben, die da so einladend im Treppenhaus stehen sieht man nicht an, welches Wort sie ursprünglich gebildet haben. Bis vor kurzem konnte man es noch erahnen, weil der Buchstabe "N" mit etwas Abstand dahinter stand.

Ursprünglich lautete das Wort "ANGST" und gehörte zum Begleitprogramm des Bistums Essen zur Inszenierung der Passionsgeschichte Jesu, die der Fernsehsender RTL am Mittwoch vor Ostern live aus der Essener Innenstadt übertragen hat. In der Fußgängerzone, auf dem Weg vom Essener Hauptbahnhof zum Burgplatz, luden drei Worte, die prägend für die Leidensgeschichte Jesu sind, dazu ein, ins Gespräch darüber zu kommen, welche Bedeutung die Passion Jesu und die Emotionen, die dabei zutage treten, heute für uns haben können.

40 Tage nach Ostern sind mir die Buchstaben dann im Generalvikariat wieder begegnet und der Wandel hat mir etwas von dem erschlossen, was das Fest Christi Himmelfahrt bedeutet, einen Wandel in der Haltung: von der Angst zur Gast(lichkeit). Nicht, dass im Glauben und vor Gott unsere Angst keine Rolle spielen dürfte; ganz im Gegenteil. Aber Glaube, Vertrauen auf Gott, will verwandeln: Angst voreinander in gelingendes Miteinander, in die Möglichkeit, beieinander zu Gast sein zu dürfen.

Von diesen Erfahrungen weiß auch die frühe Kirche zu erzählen: Die Jünger:innen, die ganz am Anfang der christlichen Kirche ihre Türen verschließen aus Angst vor dem Außen, überwinden diese Angst langsam durch die Erfahrungen der Himmelfahrt Jesu und dann später der Geistsendung an Pfingsten. Im Textabschnitt aus dem Lukasevangelium, der am Himmelfahrtstag als Evangelium gelesen wird, heißt es folgendermaßen: "Sie [die Jünger:innen] fielen vor ihm [Jesus] nieder. Dann kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück" (Lk 24,52). Wo das Niederfallen noch von Angst durchwirkt ist, bewegt die Freude zur (neuen) Begegnung.

Solche Begegnungen, die miteinander Leben teilen ereignen sich hoffentlich auch beim Katholikentag in Stuttgart an diesem langen Wochenende, der genau unter diesem Leitwort "leben teilen" steht.

Es bleibt zu hoffen, dass auch unsere Kirche, die einigen in bestimmten Epochen ihrer Geschichte eher als Kirche der Angst erschienen ist, sich zu einer Kirche wandelt, in der man gerne zu Gast ist! Ein Auftrag an uns alle...

 

Bleiben Sie behütet!

Alexander Jaklitsch, Pastoralreferent