Impuls Nr. 152
Beweglich werden!
„Beweglich werden“ war das Motto eines Ökumenischen Bibelabends, der Ende September in unserer Pfarrei stattgefunden hat. Es ging um ein Heilungswunder, dass die meisten von Ihnen kennen werden: Die Geschichte von einem kranken, gehbehinderten Menschen, der in Jerusalem am Teich Bethesda lagert und dort darauf wartet, ins Wasser getragen zu werden (Joh 5,1-18).
Die Teichanlage war in der Antike für ihre Heilwirkung bekannt und offensichtlich kam es im Zusammenhang mit dem Wasser des Teiches immer wieder zu wunderbaren Heilungen.
Der Kranke harrt nun schon 38 Jahre aus; vielleicht steckt in dieser Zeitspanne auch eine Anspielung auf die Zeit der Wüstenwanderung der Israeliten, denn im Alten Testament wird berichtet, dass das Volk Israel, das bei seinem Exodus eigentlich schon nach zwei Jahren ans Ziel gekommen war, noch weitere 38 Jahre umherziehen musste, bis es endlich ins „Gelobten Land“ einziehen konnte (Dtn 2,14).
Wüstenzeiten, in denen es uns nicht gut geht, in denen wir krank sind, uns alleine und verzweifelt fühlen, können sich unendlich lange hinziehen, so dass der Glaube an Besserung und Heilwerden immer mehr von Hoffnungslosigkeit geschluckt wird und wir irgendwann nur noch um das eigenen Leid kreisen.
Vielleicht ist es beim Gelähmten am Teich ähnlich, denn als Jesus ihm begegnet und ihn ganz unmittelbar frag Willst du gesund werden?, gibt es kein direktes und klares Ja!, sondern der Kranke muss erst einmal von seiner jammervollen Situation erzählen: Da ist schon seit vielen Jahren kein Mensch, der ihn ans Wasser trägt und ihn so bei seiner Suche nach Heilung unterstützt.
Und dabei übersieht er völlig, dass just in diesem Moment so ein Mensch, nämlich Jesus, vor ihm steht. Für Jesus ist das, etwas flapsig gesagt, völlig o.k. – und auch für uns, die wir den Jammer unserer Mitmenschen zu hören bekommen, sollte es o.k. sein, dass es erst einmal einen großen Redebedarf gibt und das Herz ausgeschüttet werden will.
Schwierig wird es nur für alle Beteiligten, wenn aus dem Herz-Ausschütten ein hilfeabweisendes Dauer-Klagen wird. Irgendwann ist der Punkt gekommen, wo auch der Kranke, die Einsame, der Verzweifelte Verantwortung für sein bzw. ihr Leben übernehmen und den Strohhalm, die ausgestreckte Hand, das gegebene Wort „beim Schopf packen“ muss und ins Handeln kommen darf.
Entscheidend ist, das Angebot von außen - in unserem Fall der Anruf Jesu: Steh auf! - ernst zu nehmen und es zu wagen und in Bewegung zu kommen…
Dafür muss nicht alles perfekt sein, es müssen nicht alle Steine aus dem Weg geräumt sein. Ich darf Angst haben vor dem ersten Schritt und dieser Schritt darf schwach und unbeholfen sein und man darf mir auch noch anmerken, dass ich ein/e vom Schicksal Gebeutelte/r bin. Ich muss nicht so tun, als wäre es einfach und als könnte ich jetzt alles komplett hinter mir lassen, was mich so viele Jahre geprägt und begleitet hat.
Unsere Lebensgeschichte gehört zu uns und darf mit dabei sein auf dem weiteren Lebensweg. Das könnte dann auch eine der Bedeutungen sein, wenn wir darüber rätseln, warum Jesus in dieser von Johannes erzählten Wundergeschichte ausdrücklich sagt: „Steh auf, nimm deine Matte - als Sinnbild für deine Lebens- und Leidensgeschichte, deine Narben und Schwächen - und geh!“
Lassen Sie uns beweglich bleiben und werden – mit allem, was zu uns gehört und uns geprägt hat!
Herzliche Grüße
Marion Reheußer
Pastoralreferentin der Pfarrei St. Franziskus